Flucht vor dem Corona-Wahnsinn

17.05. - 20.05. Zurück an die Ostsee

Kilometerstand 52822 - 52967

1. Etappe Bjuräker

Bei angekündigtem und eingetretenem Dauerregen packten wir am Montag morgen zusammen. Unsere Ladeanzeige für die Batterie zeigte auch < 50%, wir sollten besser den Willi mal an eine Steckdose andocken. Matthias wollte was ausprobieren und startete den Motor, versuchte den Motor zu starten - es klackte nur noch der Anlasser und der Motor drehte sich eine halbe Umdrehung. 2. Versuch: Mit dem letzten Schluck Batteriesaft sprang der Willi an und wurde bis zu Abfahrt nicht mehr ausgestellt. 

Die Fahrt ging über Land, wie immer. Der Regen der letzten Tage  ließ die Flüsse und Bäche schneller fließen. Wir fuhren in nordöstlicher Richtung durch große Waldgebiete, in denen kräftig abgeholzt wird und wurde. Auf den Straßen gab es kaum Verkehr außer großen Holzlastern. Irgendwann überquerten wir einen Pass, natürlich mit Skigebiet, das Thermometer zeigte 4° und draußen wurde es eklig nebelig. Unser heutiges Ziel war ein privater Wohnmobilstellplatz in Bjuräker, Femettan an einem See mit Sauna und der großen Hoffnung, Wäsche waschen zu können. Geht auch mit Hand, aber nur wenn sie auch mit Hand trocken geschleudert bekommt. Das Wetter ist einfach zu wechselhaft und zu feucht, so dass das mit dem draußen trocknen noch nix wird und drin geht eh nicht.

Die Bauernhöfe veränderten sich, vielerorts waren diese 2-3 geschossig gebaut und verschiedenfarbig angestrichen. Auch in den kleineren Städten findet sich eine Vielzahl solcher Häuser. Die Kirchen waren allesamt weiß gestrichen und hatten einen auffälligen großen hölzernen Glockenturm, der bei den meisten Kirchen nicht auf dieser selbst, sondern vor dem Kirchengebaüde separat steht. - Wir waren in der Region Hälsingland angekommen.

Hälsingland

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Hälsingland ist eine schwedische historische Provinz im Südosten des Landesteiles Norrland. Sie gehört gemeinsam mit der Landschaft Gästrikland zum Verwaltungsbezirk Gävleborgs län. Die  Provinz Hälsingland im Norden Schwedens besteht aus mehr als 80 Prozent aus Wald und ist in Schweden besonders bekannt und beliebt für seine Bauernhöfe. Die Höfe heißen auf schwedisch Hälsingegårdar, also “die Höfe von Hälsingland”. Sie galten im aufstrebenden Schweden seinerzeit als Zeichen von Wohlstand und Reichtum und waren meist bis zu 3 Etagen hoch gebaut. Bis heute verleihen die Hälsinghöfe der Provinz aristokratisches Flair und gehören zum  UNESCO Weltkulturerbe

Viele dieser Höfe sind als Museum zu besichtigen, in einigen kann man hochherrschaftlich übernachten - zum Beispiel:  https://www.regiongavleborg.se/halsingegardar/varldsarvet-halsingegardar/de-unika-halsingegardarna/besokscenter/

Und so schön sieht es drinnen aus.


Weniger…

Unser Nebenstraßengefahre hat einen Nachteil. Man weiß nie, ob nicht irgendwo eine Unterführung lauert, durch die wir nicht passen. Das wäre uns beinahe in Delsbo passiert, ca. 15 km vor dem  Tagesziel. 3,10 m Durchfahrtshöhe unter einer Bahnbrücke - da passt der Willi beim besten Willen nicht durch. Und dann fängt die Sucherei nach einer Umfahrung an. Glücklicherweise ist in Schweden der Verkehr nicht so dick und die Schweden als Autofahrer eher gemütlich.

Noch schnell für die nächsten Tage einkaufen und dann ging es auch schon dem Ziel entgegen.

Der Stellplatz entpuppte sich als B&B mit Wohnmobilstellplätzen. Die Betreiberin kam auf unser klingeln heraus und war uns sofort sympatisch. Sie zeigte uns die Plätze mit Strom auf der Wiese und ging wieder ins Haus. Wir begannen einzuparken. Nach 3 Versuchen war ich drauf und dran abzufahren und hatte das auch schon der Vermieterin kundgetan. Warum? Stellt euch mal einen 7,5 Tonner auf einer feuchten Wiese vor. Wir hatten beim Rangieren und Holz unterbauen tiefe Spuren hinterlassen. Sie sah das ziemlich entspannt und wir unternahmen noch einen Versuch, den Willi gerade zustellen. Puh, geklappt. Mir war das Ganze schon peinlich. Glücklicherweise reichte wenigstens unser Stromkabel bis zur Steckdose, Matthias hatte die Verlängerung in Leipzig vergessen.

Das Gelände lag an einem großen See. Die Vermieterin betrieb eine Hundezucht, es tummelten sich in ihrem Haus 5 kleine Welpen.

Ach ja, und dann war da noch die Sache mit dem Waschen. Bei Ankunft hatte ich nachgefragt, ob es eine Waschmöglichkeit gibt. Kein Problem, ich konnte unsere Wäsche bei ihr im Haus in die Waschmaschine tun. Bevor wir am Abend in die Sauna gegangen sind, habe ich dann die fertige - nasse - Wäsche vor unserem Willi gefunden. Mein Fehler - ich hätte auch nach einem Trockner fragen sollen. Wie war das nochmal mit dem Trocknen draußen??? Also musste ich nochmal klingeln. Aber auch dafür gab es es einfache Lösung - ich hing die nassen Sachen einfach über ein Trockengestell in ihr Wohnzimmer. Unser Shirts, Hosen, Schlüppis, BH's - das war dann schon irgendwie oberpeinlich. Aber nützte ja nix. 

Matthias war schon im Sauna Häuschen und hatte sich gewundert, wo ich bleibe. Nun ja, ein Tag voller neuer Erfahrungen...ging mit einem Sauna Besuch zu Ende. Eine Dusche war nicht vorhanden, es blieb uns zur Abkühlung nur der See - der hatte in der Bucht nach unseren Saunagängen sicher ein paar Grad mehr.

Der nächste Tag war dann erstmal für Matthias und Willi reserviert. Es ging auf Suche nach dem Stromdebakel vom Vortag. Ich hatte frei und genoss den Vormittag am See.  

Nachmittags folgten wir dann der Empfehlung des Hauses und machten uns auf eine Runde durch und um Bjuräker.

Zuerst kamen wir zum Freilichtmuseum, einem Ensemble aus vielen aus der Gegend zusammen getragenen alten Holzhäusern von Bauernhöfen.

Dann ging's zur Kirche und weiter durch und um das Dorf herum.

Zurückgekehrt schauten wir erstmal in die Wetter App für die kommenden Tage. Das sah gut aus, Sonne, Wolken, 17 °. In Delsbo hatten wir am Bahnhof Werbung für Draisinen Fahrten gesehen. Also recherchierte ich kurz und wir beschlossen am kommenden Tag unsere erste Fahrt mit einer Draisine zu machen. Glücklicherweise hatte dafür die Saison schon begonnen. Nach der Draisinenfahrt wollten wir, je nach Tageszeit entweder in Delsbo übernachten oder direkt nach Hudviksvall an die Ostseeküste fahren, ca. 30 km ostwärts.

Zum Abschluss ging es nochmal in die Sauna. Die Sonne schien und es war windstill am See. Der Tag verabschiedete sich mit einem tollen Sonnenuntergang.

2. Etappe Wieder zur Ostseeküste

In Delsbo angekommen parkten wir erste Reihe am Bahnhof. Ein junger Mann sprach noch schlechteres Englisch als wir, wenigstens gab er uns eine Telefonnummer, die wir bzgl. der Draisinenfahrt kontaktieren sollten. Ca. 15 Minuten später bezahlten wir bei einem jungen dynamischen Schweden, erhielten eine Routenbeschreibung, Einweisung in die Strecke und in die Single Draisine, also für 2 Personen. Einer fährt und der andere guckt zu, wechseln ist möglich. 

Am Bahnhof gab es noch ein paar Oldies- alte Schienenbusse und Bahnhofsinterieur.

Wir waren Draisinen Greenhörner, haben uns aber wacker geschlagen. Wichtigste Sicherheitshinweise in Kürze:

  1. Vor Weichen langsam fahren, die Draisine könnte sonst aus dem Gleis springen - Oh my God
  2. An Bahnübergängen muss die Draisine gestoppt und dann geschoben werden, da die Schienen unter dem Straßensand verschwinden - das passierte öfter
  3. Bei Gegenverkehr muss der aus Richtung  ... (hatten wir vergessen) Kommende den Weg frei machen - heisst die Draisine aus dem Gleis nehmen und hinterher wieder einsetzen
  4. Auf der Strecke fahren ggf. auch private Draisinen - für diesen Fall galt es  wieder 3. zu beachten.

Ok, klang schon mal spannend. Blieb noch die Entscheidung ob wir nach Osten oder Westen fahren. Im Westen gab's die besseren Badestellen - naja, im Osten die besseren Fischplätze - auch dafür waren wir nicht vorbereitet. Die Entscheidung fiel anhand der Gefällelage. In Richtung hieß am Start die frischen Kräfte an den  Steigungen verbrauchen und dann beim Zieleinlauf entspannt das Gefälle nutzen. 

Also Taschen verstauen und los ging's.

Wir beschlossen, dass Matthias all seine Energie in einen erfolgreichen Start steckt. Wetter passte, die ersten Weichen meisterten wir problemlos und wir verließen die Stadt.

Nach den ersten 5 km wechselten wir, ich war dran und es ging nicht abwärts!

Unterwegs gab es einige Hinweise zu Streckenbesonderheiten, Haltepunkte mit Aussichten, regionalen Hinweisen - alles in der Begleitbroschüre beschrieben. Blöd, wenn die einem während der Fahrt davonflattert

Bei Kilometer 17 von 25 drehten wir um, auf uns schob sich eine Regenwand zu.

Auf der Rückfahrt sind wir noch schnell ... dem Wahnsinnsgenverkehr ausgewichen, haben eine Pause am alten Flößerkanal gemacht, Matthias hat nochmal das Lenkrad übernommen und dann ging's mit Schwung zum Ausgangspunkt zurück.

Bei 10 Promille Gefälle macht die Draisine ganz schön Ballett und rattert wie ein DDR-Personenzug. 

Es war ein ganz phantastischer lustiger Ausflug. Wie anstrengend das war merkten wir am Abend. Nichts für Weicheier!!!

Das machen wir mal wieder! Entweder hier oder auf jeden Fall zu Hause mit den Kindern und unserem Primelchen.

Die 30 km nach Hudviksvall fuhren wir noch am Nachmittag. Platt und keine Lust mehr zu laufen suchten wir uns ca. 4 km vom Stadtrand entfernt einen Schlafplatz. Wir hatten den Tag über genug Sonne abgekriegt und lagen gegen zehn Uhr im Bett, völlig untypisch für uns.

Hudviksvall

Beim Frühstück am nächsten Morgen berieten wir, wie es weiter gehen sollte. Der Wetterbericht zeigte für die nächsten Tage Sonne und Wolken, hin und wieder ein paar Regenschauer und 15°. Wir wollten das schöne Wetter an der Ostsee nutzen und beschlossen, auf die Halbinsel Hornslandet, ca. 30 km östlich von Hudsvikvall zu fahren und dort nach einem geeigneten Stellplatz zu suchen. Auf der Insel gab es einige Natrureservate, also wandern, Ostsee und vielleicht endlich mal Angeln? Aber erstmal brachte uns der Willi zurück in die Stadt zum obligatorischen Sightseeing. Nach 4 Stunden und 8 km waren wir durch. 

Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen. Das ultimativ Beste war die Entdeckung einer Karamell Fabrik (Manufaktur) inkl. Shopping.

Und dann ging es los in Richtung Hornslandet - nach Hölick, dem südlichsten Zipfel. Hier hatten wir in unserer Park4night App einen Campingplatz und einen Parkplatz gefunden.

Der 5***** Campingplatz hatte noch bis 30.05. geschlossen. Im Nachhinein gut für uns, 60 Euro für eine Nacht hätten wir nicht bezahlen wollen. Es gab zwar Kunstrasen am Stellplatz, aber wir hätten da nicht hingepasst - zu Oldscool. Also erstmal die 200 m weiter zum Parkplatz und eine erste Orientierungsrunde drehen. Parkplatz war fast leer, für Donnerstag kein Wunder, aber Pfingsten und das Wochenende standen ja vor der Tür.

Ok, wir bleiben, zumal der Parkplatz leer war. Das Wetter war zu schön, um im Willi zu sitzen, also ging's auf eine kleine Runde.

Hölick ist ein ehemaliges Fischerdorf, in dem aber keine Leute mehr leben. Auf jedem Stückchen Land, das irgendwie bebaubar ist, steht eine Stuga und vor oder neben der Stuga ein Boot, manchmal auch ein Saunahäuschen in den Felsen - typisch schwedisch halt. 

Und weil es auch nach dem Abendbrot noch zu schön und auch noch warm war erkundeten wir auch noch die andere Seite der Bucht inkl. Edelcampingplatz.

Mit einem Skâne Akvavit und dem obligatorischen lättöl beschlossen wir das Tagesprogramm für morgen und den heutigen Tag.