Flucht vor dem Corona-Wahnsinn

15.06.-19.06. Über dem Polarkreis

Kilometerstand 54089 -54564

1. Etappe - Zum Polarkreis nach Juoksengi

Der heutige Tag ist zweigeteilt. Zum einen kommen wir in Haparanda an der finnischen Grenze an. Damit endet unsere Route entlang der Ostsee und wir bewegen uns - nach 100 km Fahrt in nördliche Richtung  - über dem Polarkreis. Hier geht die Sonne nun wirklich 24 Stunden nicht mehr unter, zumindest nicht bis Midsommer, also noch eine gute reichliche Woche. Hoffentlich können wir das auch noch richtig erleben, heute hat es fast den ganzen Tag geregnet und gerade zieht hier genau am Polarkreis ein Gewitter auf. Aber alles schön der Reihe nach.

Nach dem Einkauf in Haparanda ging es direkt entlang des schwedisch-finnischen Grenzflusses Torneälv in Richtung Norden. Eigentlich wollten wir nicht bis hierhin fahren, aber Ulf meinte, wir würden anders herum den schönsten Abschnitt am Fluss verpassen. Denken wir jetzt auch. Wir waren fast alleine auf der Straße und fuhren immer in Sichtweite des Flusses durch das Tornedalen.

Die Straßennamen sind im unteren Bereich des Tornedalen zweisprachig, schwedisch und finnisch. Weiter oben im Norden werden sie dann dreisprachig - schwedisch, finnisch und in Samii.

In Övertorneå machten wir einen kurzen Abstecher in Richtung finnische Grenze, nur mal gucken. Alle Ampeln waren auf rot - kein Reinkommen. Auf schwedischer Seite, direkt am Grenzübergang befand sich eine kleine Gaststätte mit Samii-Souvenirs. Dort gab es einen kurzen Kaffee Stopp.

Da eine Wetterbesserung nicht in Sicht war fuhren wir dann auch zügig weiter in Richtung Polarkreis, den wir ja heute überqueren wollten. In dem Gebiet waren in unserer park4night-App 2 Stellplätze ausgewiesen. Einer ca. 4 km vor dem Polarkreis - ein Parkplatz mit Infrastruktur an Stromschnellen,  der zweite direkt am Polarkreis mit Wohnmobilstellplätzen in Juoksengi.

Erster möglicher Stellplatz 4 km vor dem Polarkreis

Ein schöner Platz, aber wir wollten direkt am Polarkreis stehen. Zumindest hatte es schon mal aufgehört zu regnen:-)

Also nochmal Endspurt mit Willi und schwupps, schon waren wir in Kuoksengi angekommen.

Wir sind am Polarkreis angekommen

Am Polarkreis stand das Polcircelhuset - eine Gaststätte mit Wohnmobilstellplatzvermietung. Nach dem obligatorischen Rundgang und überschreiten des Polarkreises suchten wir uns auf dem Wohnmobilplatz einen Stellplatz - niemand außer uns war dort. Neben dem Service Gebäude mit Küche und Dusche stand auch eine Sauna zur Benutzung zur Verfügung.

Zuerst wurde neu geflaggt, die Sachsen Fahne war arg mitgenommen.

Am Abend zogen nochmal richtig dicke Wolken auf, allerdings auf finnischer Seite über dem Fluss - tja, hätten sie uns mal rein gelassen.

Mitternacht - über uns die Sonne und Willi im Doppelregenbogen

An diesem Abend ging die Sonne nicht mehr unter und wir schlafen.

Am nächsten Tag starteten wir nach einem Frühstück in der Sonne zum nördlichsten Punkt unserer Reise - Karasuando hieß unser Ziel.

2. Etappe - Zum nördlichsten Punkt unserer Reise nach Karesuando

Am nächsten Tag lagen ca. 270 km  - ca. 4,5 Stunden Fahrt immer entlang der finnischen Grenze gen Norden vor uns. In Svanstein, dem nächst großeren Ort nach unserem Start, folgten wir einem Hinweisschild - Struve-Meridian-Vermessungsplatz. Wir bogen von der Route - der E99 ab.

Struve - was?

Struve-Bogen

​Der skandinavisch-russische Meridianbogen oder kurz Struve-Bogen, benannt nach dem deutschbaltischen Astronomen Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793–1864), ist ein Meridianbogen, der aus einem gut 2821 km langen Netz aus 265 geodätischer Vermessungspunkte und 60 Nebenpunkten besteht. Mit ihm wurde die Erdabplattung an den Polen (Erdellipsoid) bestätigt und vermessen. Der Struve-Bogen zählt zu den genauesten und größten Projekten der damaligen Erdmessung. 
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Der Bogen wurde in den Jahren 1816 bis 1855 unter der Leitung des deutschen Astronoms Friedrich Georg Wilhelm von Struve (1793 -1864) und des russischen Offiziers Carl F. Tenner (1783–1859) errichtet. Von seinem Ausgangspunkt in der Nähe von Hammerfest Norwegen durchläuft das Messnetz des Struve-Bogens die Länder Schweden, Finnland, Russland, Estland, Lettland, Litauen, Weißrussland, Moldawien und am Endpunkt die Ukraine.

Neben der Bedeutung des Struve Bogens für die Erdvermessung (Geodäsie) stellt er zusätzlich ein wunderbares frühes Zeugnis für eine funktionierende wissenschaftliche Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg dar. Aus diesem Grund wurden 34 repräsentative Messpunkte am 15. Juli 2005 in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen. Damit ist der Struve Bogen das erste wissenschaftliche Messgerät auf der Liste der UNESCO. Diese 34 Messpunkte sind ein gebohrtes Loch in einem Felsen, ein Eisenkreuz, Steinhügel oder gebaute Obelisken.

  • Norwegen: Fuglenes (Hammerfest), Lille-Reipas (Alta), Lodiken        (Kautokeino), Baelljasvarri ( Kautokeino)
  • Schweden: Tynnyrilaki (Kiruna), Jupukka (Pajala), Pullinki         (Övertorneå), Perävaara (Haparanda)
  • Finnland: Stuor-Oivi (Enontekiö), Aavasaksa (Ylitornio), Alatornio-Kirche (Torneå bzw. Tornio), Oravivuori (Korpilahti), Tornikallio (Lapinjärvi), Mustaviiri (Pyhtää)
  • Russland: Insel Goglang
  • Estland: Woibifer (Avanduse), Katko (Avanduse), Tartu Observatorium (Tartu)
  • Lettland: Sestu-Kalns (Sausneja), Jacobstadt (Jçkabpils)
  • Litauen: Karischki (Panemunelis), Meschkanzi (Nemencine), Beresnäki (Nemeþis)
  • Weißrussland: Tupischki (Oshmyany), Lopati (Zelva), Ossownitza (Iwanowo), Tchekutsk (Iwanowo), Leskowitschi (Iwanowo)
  • Moldawien: Rudi
  • Ukraine: Felschtin (Hvardiiske), Baranowka (Baranivka), Staro-Nekrassowka (Nekrasivka)

https://www.goruma.de/erde-und-natur/geologie/struve-bogen

https://de.wikipedia.org/wiki/Struve-Bogen



Weniger…

Und schon sind wir alle schlauer... Weiter ging's auf der menschen- und autoleeren Nebenstraße, nicht ohne noch weitere Hinweise auf Vermessungspunkte zu finden.

Vor dem Ort Fällan ereilte uns dann das Straßenschicksal - 15 km Baustelle, wir saßen glücklicherweise im Willi! Nach dem ersten Kilometer wurde uns dann auch klar, dass die Fahrradfahrer, die uns entgegengekommen waren nicht nur wegen der Berge so müde und gestresst geschaut hatten. Mit dem Fahrrad durch weichen Straßenbelag zwischen den Baufahrzeugen ist keine Spazierfahrt.

Weiter ging es auf endlosen einsamen Straßen mal in der Sonne, mit Sonne und Wolken oder einem vermeintlichen Weltuntergang vor uns. Und dann endlich waren wir in Lappland.

Ca. 15 km vor Karesuando bogen wir von der Straße auf einen holprigen Forstweg ab. Von diesem ging es ca. 5 km, an mehreren Seen vorbei steil bergauf. Da konnte sich unser Willi mal richtig austoben. Auf dem Bergplateau war in unserer Stellplatz-App ein Übernachtungsplatz ausgewiesen: "Beste Aussicht in dieser Gegend. Holprige Straße, aber es lohnt sich. Viele Mücken, vergessen sie nicht Mückenspray mitzubringen."

Vorweggenommen - es war an diesem Abend so windig, dass wir keine Mückenabwehr gebraucht haben. Und die Aussicht - siehe folgende Bilder.

Zu unseren Füßen - Schwedisch Lappland

3. Etappe - Nach Lannavaara

Am nächsten Morgen ging es runter vom Berg und rein nach Karasuando. Das ist der nördlichste Punkt Schwedens, der per Straße erreicht werden kann. Wer   mit dem Auto weiter will, muss über die Grenze nach Finnland und von dort weiter nach Norwegen Richtung Tromsö und Nordkap. Um von hier auf schwedischer Seite nach Norwegen zu kommen muss man entweder zurück nach Kiruna und dort Richtung Narvik über die Grenze, direkt geht es im Winter mit Schlittenhunden oder im Sommer mit dem Kanu. In Karasuando wollten wir noch ein paar Outdoor Sachen kaufen, leider war alles zu. Bis auf ein Geschäft, in dem ein netter, älterer Mann die Stellung hielt. Wir kamen ins Gespräch, er war der Besitzer des Ladens. Er erzählte uns von seinen (schlechten) Erfahrungen in Deutschland, wo er zum Arbeiten war. Auch über die politische Lage in Schweden erfuhren wir einiges. Eigentlich wollten wir nur Mückennetze kaufen! Nun ja, ein zweiter Schwede kam hinzu und erklärte, dass nur Touristen solche Netze auf dem Kopf tragen - auf der Rückfahrt haben wir jede Menge Schweden mit solchen Kopfbedeckungen gesehen. Das Gesicht des Ladenbesitzers schlief ein, da wir erstmal sofort Abstand vom Kauf nahmen. Letztendlich überzeugte er uns vom Djungle Oil, der schwedischen Mückenabwehrgeheimwaffe. In Deutschland nicht zu bekommen!

Unser nächstes Ziel hieß Lannavaara, ein kleines Dorf abseits der Hauptstraße. Hier werden die besten Goldschmiede Schwedens ausgebildet. Hier gibt es eine Goldschmiede inklusive Ausstellung und Verkauf (Kristallen) - da wollte ich hin (wir). Und wir wurden fündig. Ein niedliches kleines Mineralienmuseum, ein kleiner Verkaufsstand und zwei super nette Damen berieten uns und gaben uns gleich noch Tipps für Übernachtungsmöglichkieten. Das war hier überall möglich, wir entschieden uns für einen See etwas außerhalb des Ortes.

Und dann erreichte uns noch im Kristallen eine traurige Nachricht von zu Hause. Wir fuhren erstmal zum Platz um uns zu sammeln und zu telefonieren und beschlossen an dieser Stelle, direkt nach Hause auf dem schnellsten Weg zurück zu fahren. 

An diesem Abend erhielten wir noch Besuch von drei Einheimischen, die uns für die Sauna im See noch Holz gebracht haben. Verbrannt haben wir das auf der Heimfahrt.

Den Bericht zur ersten Etappe beende ich an dieser Stelle. Heute ist der 23.07.2021 und wir sind nochmal für 5 Wochen zurück gekommen. Es geht also weiter, allerdings war ich vorher nicht in der Lage unsere Erlebnisse aufzuschreiben.

Anbei noch ein paar Bilder vom See.