Für uns hieß es Abschied nehmen und uns weiter auf den Weg ins Landesinnere aufzumachen.
Erstes Ziel war Kap Kolka – nach 100 km kamen wir an und fuhren ohne Halt weiter. Zu trostlos und schon zu touristisch, die beste Zeit war in der Gegend vorbei. Weiter ging es in Richtung Jürmala, immer wieder sahen wir markante Stellen, an denen wir bei unserer Radtour 2015 vorbei gekommen waren. Auch hier Autos über Autos, weiter ging es ohne Halt in Richtung Riga, das wir mitten durch das Zentrum durchquerten. Schnell noch einkaufen und dann nix wie raus aus der Großstadt.
Mit der App Park4night suchten wir uns im Gauja-Nationalpark in der Nähe von Cesis einen lauschigen See. Es war Samstag und der See war von den einheimischen Wochenendurlaubern erobert, Zelte waren aufgeschlagen, die Lagerfeuer brannten, Familien machten Picknick oder badeten im See. Und wir machten erstmal Wäsche – und das dauerte 2 Tage, ehe diese trocken war. Aber wir waren ja entschleunigt unterwegs. Mit Baden gehen, Pfifferlinge und Heidelbeeren sammeln vertrieben wir uns (ich mir) die Zeit. Über dem See genossen wir zwei phantastische Sonnenuntergänge.
Montag hieß es Abschied nehmen, wir zogen weiter und statteten Cesis noch einen Besuch ab. Es gibt hier eine alte Burg und ein neues Schloss, uns interessierte natürlich der alte Teil. Im großen Innenhof war – trotz Montag und eigentlichem Schließßtag – das Mittelalter lebendig geworden. Handwerker hatten im Innenhof ihre Stände aufgebaut – Wolle spinnen und färben, Holzkunst, eine Schmiede. Hier konnte Matthias einen großen Nagel schmieden.
Dann noch schnell zum Burg Turm. Vor dem Turm stand eine alte Frau mit Lampen und zündete Kerzen darin an. Sie wollte uns eine in die Hand drücken und fragte nach unserer Herkunft. Und das auf lettisch, englisch, französisch und deutsch! Eigentlich hatte ich keine Lust, aber Widerstand war zwecklos! Also Lampe schnappen und los ging es. Ab Turmeingang tasteten wir uns dann durch die Gänge, nur mit dem Lichtlein in der Hand. Wir hatten das Gefühl, dass wir Jahrhunderte in der Zeit zurück geworfen waren. Im Kapitelsaal des Turms lief eine Multimedia Show. Ohne Erklärungen, mit Bildern und einer mitlaufenden Jahresuhr, einfach genial,Geschicte erklärt ohne einen Satz zu lesen oder Texte zu hören. Unten gaben wir der alten Frau unsere Lampe ab und machten ein kurzes Schwätzchen, danach drehten wir eine Runde durch die Stadt und fanden unseren Willi komplett zugeparkt vor.
Das war schon eine Herausforderung für Matthias, das Auto auszuparken. Einige Passanten blieben stehen und begutachteten das Spektakel. Ohne Kratzer am Willi oder einem der parkenden Autos ging es dann weiter in Richtung Marienburg über die Hochebene von Vidzeme. Traumhaft schön – leichte Hügel, Wälder, Seen, Felder und Asphaltstraßen, die mit EU-Mitteln gerade aufgepeppt werden.
Dann fuhren wir auf ein großes Schild zu – Moskau 700 km. Seufz – aber in diesem Jahr noch nicht. Im Auto hielten wir dann eine kurze Reiseroutensitzung ab. Einstimmung beschlossen wir, Marienburg auszulassen, der Umweg wäre zu groß geworden,zumal wir Estland schon abgewählt hatten. An einer Straßenkreuzung fuhren wir dann statt in den Norden in Richtung Süden – das war sozusagen die Urlaubswende, denn ab da ging es in Richtung Heimat.
Nächster Halt – Touristeninfo Rezekne. Hier wollten wir uns ein paar Infos zur Gegend holen und einen Blick in die Stadt werfen. Das Internet hat nicht immer recht und so suchten wir die Touristeninformation erstmal auf einem Pferdehof vor der Stadt. Die Leute dort waren so nett und behilflich und Dank unseren bescheidenen russischen Sprachkenntnissen und einer geschenkten Karte standen wir dann in der Stadt vor den Ruinen des Pils (also wieder einer der zahlreichen Burgen).
Es war gegen 17:00 Uhr, die Touri-Info noch auf und wieder erwischten wir eine redselige mitteilungsbedürftige junge Frau. Mit einem Arm voller Karten und guten Tipps erklommen wir natürlich noch den Burgberg, ließen uns in einer Gaststätte den Borschtsch und ein Fleischgericht schmecken und verzichteten auf die Stadtbesichtigung.
Das hat mehrere Gründe: Zum einen sind wir nicht die typischen Städteurlauber, die jede Sehenswürdigkeit und Kirche besichtigen müssen, zum zweiten war es schon spät und zum dritten sehen die Städte entlang der russischen oder weißrussischen Grenze alle gleich aus, postrussisch halt – lange gerade Magistralen, Neubauten, zwischen drin eine restaurierte orthodoxe Kathedrale.
Deshalb ging es weiter auf der Suche nach einem ruhigen Stellplatz. Wir navigierten mit unserer App und verfuhren uns erstmal ordentlich in dem Waldgebiet. Den See immer im Blick gelangten wir vorbei an einen altrussischen Friedhof – der noch in Betrieb war – zu einem alten und trotzdem gepflegten Bauernhof. Neben dem Zwiebel-und Kohlfeld kamen wir zum Stehen, Ende des Weges, von einer Strasse war schon lange keine Rede mehr. Ein alter Russe lief auf uns zu. Mit meinem russischen Miniwortschatz konnten wir uns halbwegs mit ihm verständigen –Resultat- wir mussten zurück. Wie immer fiel uns die Entscheidung für einen Stellplatz schwer, aber dann hatten wir deeen Platz am See – erste Reihe und unendliche Ruhe!