Eine Erlebnisreise zwischen Tradition und Moderne

2. Tag, Dienstag 28. Juli

Jaunspils – Lielverde – 76 km

 

 

Diese Route steht unter der Überschrift "Tag mit Hindernissen"

Nach einem netten Frühstück packten wir unsere Taschen und wollten gegen 08:30 Uhr weiterfahren. Ich lief in den Fahrradunterstand und schob mein Fahrrad raus. Und da sah ich den Platten – so ein Mist. Also hieß es zuerst Fahrrad bauen.  Es hatte sich doch tatsächlich durch unsere unplattbaren Schwalbereifen ein Schotterkiesel durchgebohrt. Nachdem der Schlauch gewechselt war ging das aufpumpen los – leider vergeblich. Der zweite Schlauch war auch kaputt. Also das ganze Spiel nochmal von vorn. Dann konnte es irgendwann gegen 10:00 Uhr losgehen.

Mit einem etwas unguten Gefühl – wir hatten die vielen Kilometer Schotterstraßen vor Augen und nur noch 2 Schläuche dabei und meinem Mantel trauten wir ehrlich gesagt auch nicht mehr so richtig über den Weg - ging es in Richtung Bauska los – vorerst auf „normalen“ Straßen. In Bauska wollten wir uns mit neuen Schläuchen, einem Notmantel ausstatten und nochmal Luft aufpumpen.

Bauska:

Die Stadt liegt am Zusammenfluss der Flüsse Mūsa und Mēmele zur Kurländischen Aa auf niedrigen Hügeln. Die Festung Bauska wurde 1443 vom Deutschen Orden zum Schutz vor den litauischen Fürsten angelegt.

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1609 erhielt die umliegende Ansiedlung Stadtrechte. Seit dem großen Nordischen Krieg ist die Burg zerstört und die Einwohnerschaft ging nach einer Pestepidemie um 2/3 zurück. 1797 lebten hier 937 Einwohner (davon 504 deutsche). Bei der Volkszählung von 1897 bestand die Einwohnerschaft aus 2745 Juden, 2984 Letten, 536 Deutschen sowie kleineren Gruppen von Polen, Russen und Litauern. Neben einem privaten Mädcheninternat und einem jüdischen Theologenseminar gab es noch eine lettische Kommerzschule. Nach der Revolution 1905 konnte sich ein Revolutionskomitee bis zum nächsten Frühling halten. Im Ersten Weltkrieg wurde 1915 fast die Hälfte der Bevölkerung wegen der anrückenden Deutschen Armee zwangsevakuiert. 1919 war Bauska Stützpunkt des Freikorps Brandis, welches die Burgruinen zur Abwehr der Roten Lettischen Schützenregimenter nutzte. Ein Unikum in dieser Zeit war die Freiwillige Lettenkompanie des Kreises Bauska, die sich dem Freikorps bis zum Spätsommer unterstellte. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht 1941 wurden bereits bis August mehr als 2000 Juden der Umgebung ermordet. Im September 1944 wurde die Stadt Opfer eines Bomber-Angriffs, als die Rote Armee nach Norden vordrang. In der Sowjet-Zeit wurde Industrie angesiedelt (unter anderem eine Wollfabrik) und hierzu Arbeiter aus Russland angeworben. Die Burg ist inzwischen restauriert. Weitere Informationen gibt es unter  https://de.wikipedia.org.

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Bauska selber ist eine hübsche Kleinstadt mit einem Pils – was sonst. Die Stadt verfügt über eine gut ausgestattete Touristeninformation auf dem Marktplatz.

Aber zurück zum Versuch, unsere Fahrradersatzteilsituation aufzubessern. Im Zentrum von Bauska folgten wir den Hinweisschildern und entdeckten einen Fahrradreparaturladen. In einem Hinterhof betrieb ein junger Mann eine kleine Werkstatt. Mit einem Blick auf unsere Räder runzelte er die Stirn und erklärte uns in Englisch, dass alle Ersatzteile, die er verfügbar hat, schlechter seien als unsere reparaturbedürftigen Fahrradteile. Sehr entmutigend – zumindest konnten wir bei ihm meinen Reifen aufpumpen. Das konnte ja heiter werden. In einem Supermarkt erstand Matthias noch zwei Notschläuche, mehr war einfach nicht drin. Da half nix, wir mussten weiter. Es sah aus, als ob uns das Wetter auch an diesem Tag weiter hold bleibt, so langsam kam die Sonne hinter den Wolken hervor.

Und wieder ging es über trockene Schotterpisten quer durchs Land, ca. 40 km lagen noch vor uns.  Am zweiten Tag fiel es uns schon viel schwerer als am Starttag. Unseren Weg kreuzten heute auch viel mehr Autos und LKW’s, so dass wir ständig in Staubwolken eingehüllt waren.  Es ging schleppend voran, zumal auf einmal die Straße immer „weicher“ und unbefahrbarer wurde. Die Spurrinnen, in denen man halbwegs fahren konnte verschwanden immer mehr, es ging nur noch holprig und z.T. im Schritttempo voran – und das bei geplanten 76 Tageskilometern! Und dann sahen wir auch schon den Grund. Vor uns bewegte sich mit 8 km ein Straßenhobel urgemütlich Meter für Meter. Überholen machte keinen Sinn, da er die Gegenfahrbahn schon bearbeitet hatte. So blieb uns nichts übrig als entnervt hinter ihm zu bleiben. Die Landschaft war immer gleich – Felder, Felder, Gehöfte eingerahmt von kleinen Waldinseln, wenige Seen mit Bäumen, Entwässerungsgräben. Eine Oase für alles was da fliegt und kreucht. Und da die Sonne schien und kaum Wind ging machten wir Bekanntschaft mit gierigen Bremsen. Glücklicherweise half unser Mückenabwehrspray auch ganz gut gegen diese Spezies – trotzdem, Stillstand war der Tod!

Wir kamen langsam voran. Nach einer Kurve setzte ein PKW straff zum Überholen an. Als er an uns vorbei war geriet das Fahrzeug ins Schleudern, schlingerte vor uns hin und her, zog nach links und flog dann über die Schotterkante am Straßenrand mit einem Riesensatz in ein Getreidefeld. Wir hielten sofort an. Uns kam ein lettischer PKW entgegen. Der Fahrer machte ein erschrockenes Gesicht, winkte ab, kurbelte die Seitenscheibe herunter und – fuhr mit einem „ojeujeujeujeu“ weiter. Sprachlos stieg Matthias vom Rad und lief zum Getreidefeld, aus dem bereits eine junge Frau mit einem Kind auf dem Arm und eingesammelten Autoteilen herausgelaufen kam. Ihr folgte ein junger Mann und im Auto saß noch ein älteres Kind, glücklicherweise war offensichtlich nix passiert. Wir wollten unsere Fahrt fortsetzen, da lief er heftig mit den Händen winkend zu uns herüber. Wir sollten ihm helfen das Auto rückwärts raus zuschieben. Matthias gab sein Bestes, aber ein Fahrkünstler war der Lette nicht. Vielmehr rangierte er sein Auto so geschickt auf die Schotterkante, dass er mit allen vier Rädern in der Luft hing. Matthias hat noch versucht einen vorbeifahrenden LKW zu stoppen und um Hilfe zu bitten. Vergebens – der LKW-Fahrer hat nicht mal gebremst und Matthias hat mit schnellem Schritt die Fahrbahn verlassen müssen. Mehr konnten wir nicht tun und zogen langsam in die Pedale tretend von dannen. Uns entgegen kam nach 5 km schon ein Abschleppwagen. Offensichtlich funktioniert der Straßendienst gut. Nach weiteren 10 km überholte uns dann das Unfallauto und die Familie winkte uns fröhlich zu!

Tja und zu guter Letzt kam dann noch der Regen. Durchgeweicht und genervt kamen wir in Vecumniecki an. Jetzt half nur noch ein Päuschen mitten in einem der schönen Parks.

Die dann folgenden Kilometer boten – außer dass wir hauptsächlich durch ein Waldgebiet fuhren -  nichts an Neuem. In uns beiden machten sich so langsam Gedanken an die nächste Tage und das Durchhalten breit, aber keiner sprach offen darüber. Unsere letzten Kilometer führten uns dann auf der Straße P85 zu unserer zweiten Übernachtung – nach Lielvarde. Aber vorher hieß es noch die Daugava, über die Staumauer fahrend, nach Kegums zu überqueren. Die Daugava sah eher wie ein großer See aus als ein Fluss. Sehr beeindruckend und wunderschön.

Die Daugava

zu Deutsch Düna, ist ein insgesamt 1.020 Kilometer langer Fluss, dessen Quelle in Russland liegt.

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Die Daugava fließt in ihrem Verlauf durch Russland, Weißrussland und Lettland, wo sie in die Rigaer Bucht mündet. In Lettland legt die Daugava 357 Kilometer zurück und ist damit der längste Fluss des Landes. … Da in der Sowjetzeit mehrere Staudämme mit zugehörigen Wasserkraftwerken gebaut wurden, ist die Daugava heute nicht mehr schiffbar. Die Dämme minimieren aber die Gefahr des im Frühjahr einsetzenden Eisganges insbesondere für die Großstadt Riga. Heute findet man im Sommer viele Angler und Badende an den Ufern der Daugava. Im Winter ist das Eisangeln sehr beliebt, sobald die Eisdecke des Flusses trägt, manchmal auch schon vorher! (Quelle http://www.baltikum-tours.de ).

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Am anderen Ufer angekommen schauten wir uns wieder nach einer Reparaturwerkstatt um und entdeckten einen Fahrzeugersatzteilladen. Fahrzeuge aller Art also auch was für Fahrräder. Matthias ging hinein und kam kurz darauf mit einem Lächeln im Gesicht zurück und holte sein Portemonnaie. Es gab Continental-Fahrradmäntel (gedacht als Notmantel für alle Fälle) für ca. 14 €. 5 Minuten später war er mit dem Ersatzteil in der Hand und einem zum Teil belustigtem und überraschten Gesicht wieder draußen. Der findige Besitzer hatte unsere Not erkannt und während Matthias das Geld geholt hat, schnell alles um gepreist. Mit einem Lächeln wurden nun 25 €  verlangt.

3. Lektion: Die Marktwirtschaft ist auch in Lettland voll angekommen.

Von Kegums waren es dann nur noch wenige Kilometer bis zu unserer Übernachtung in Lielvarde, dem Baltu Ozols.

Lielvarde:

Die Stadt Lielvarde liegt in der Region Vidzeme am rechten Ufer des Flusses Düna (lettisch: Daugava), 52 km südöstlich von Riga. Sie hat 6328 Einwohner (Stand: Februar 2006).

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An den Ufern der Düna trafen Liven und die Balten aufeinander und viele vorgeschichtliche Gegenstände konnten hier geborgen werden. Die Chronik des Heinrich von Livland (lateinisch: Heinrici Cronicon Livoniae) beschreibt eine Festung der Balten auf einem Berg, die von Albert von Buxhoeveden 1201 erobert und „Lennewarden“ genannt wurde. Auf Lettisch heißt dieser Ort „Dievukalns“ (Berg der Götter). Die Erzbischöfe von Riga errichteten 1229 an dieser Stelle eine Burg aus Stein, deren Ruinen heute noch sichtbar sind. Während der Zeit, in der Livland zu Schweden gehörte, wurde eine Pfarrschule eingerichtet. 70 % der Bevölkerung fielen der großen Pest-Epidemie von 1710 zum Opfer. Der Bau der Eisenbahnlinie Riga-Dünaburg 1861 führte zu einer Erweiterung der Stadt rund um den Bahnhof Rembate herum. Die Stadt wurde während des Ersten Weltkriegs vollständig zerstört, aber bald nach der lettischen Unabhängigkeit wieder aufgebaut. (Quelle: https://de.wikipedia.org.)

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Die Pension lag in direkter Nachbarschaft einer Holzburg, der Rekonstruktion einer altlettischen Anlage aus dem 12. Jahrhundert, deren Überreste man bei Ausgrabungen in der Nähe von Lielvarde entdeckte.

Trotz unserer Buchung inkl. Frühstück war ein solches nicht möglich. Also blieb uns nichts anderes übrig, als einkaufen zu gehen. Aber da wir ja eh noch etwas essen wollten, liefen wir noch in das Stadtzentrum und landeten – in einer Pizzeria. Trost war uns ein hiesiges Lielvarde Bier. War eh nicht so unser Tag gewesen! Zu guter Letzt überraschte uns auf dem Heimweg noch ein satter Gewitterschauer. Im Zimmer angekommen gönnten wir uns noch einen Blick in die Wetterkarte für den nächsten Tag. Regen – Schauer - Wind, nun gut, auch das gehört dazu.