Eine Erlebnisreise zwischen Tradition und Moderne

1.Tag, Montag 27. Juli

Sutkūnai-Siauliai – Pilsrundale – 83 km

Route 2.896.499 - powered by www.bikemap.net
 

 

Nun konnte es endlich losgehen. Der Tracker wurde gestartet, die Radwegkarte aufgeschlagen und nach einem guten Frühstück bei bestem Wetter und guter Laune verließen wir, vorsichtig in die Pedale tretend den Campingplatz auf asphaltierter Landstraße. Wir kamen gut und schnell, dank Rückenwind, voran.

Nachdem wir die Hauptstraße von Siauliai nach Riga verlassen hatten, machten wir erste Bekanntschaft mit den Nebenstraßen – den Schotterpisten. Es wurde staubiger. Unser Weg führte uns zwischen endlosen Feldern entlang.

Zwischendrin tauchten kleine, weit auseinanderliegende  Gehöfte auf. Und fast auf jedem Dach gab es sie wieder – die Störche. Die Straße zog sich schnurgerade dahin. In kleineren Dörfchen fielen uns als erstes gepflegte parkähnliche Anlagen auf, die mit Skulpturen geschmückt waren.

Wir hatten erwartet, dass wir auf unserem Weg vielen Radlern wie uns begegnen würden. Fehlanzeige! Auf der gesamten Strecke nach Riga hatten wir Kontakt mit lediglich 4 Gleichgesinnten. Später wurde es, an dieser Stelle schon mal vorweggenommen, nicht besser. Allerdings machten wir auf dieser ersten Strecke schon ausreichend Bekanntschaft mit PKWs und LKW’s, die uns ohne die Geschwindigkeit zu reduzieren rasend schnell und sehr sehr nah überholten. Es schien den Fahrern viel Freude zu bereiten, uns in eine Staubwolke eingehüllt hinter sich zu lassen. In Gaubiai legten wir die erste Pause ein. Hier wechselte der Straßenbelag wieder von Schotter auf Asphalt – das ließ uns hoffen! Im Dorflädchen hatte ich dann die erste Gelegenheit meinen Einkauf in Russisch zu tätigen.  Kolbasa, Chljeb und Moroschenoje (also Wurst, Brot und Eis) standen auf meiner Liste. Ich war überrascht, wie gut ich mich noch verständigen konnte – meine letzten Russischkontakte lagen immerhin 25 Jahre zurück.

Es ging weiter Richtung litauisch-lettische Grenze. Unmittelbar hinter dem Ortsausgang endete unsere „Schnellstraße“ und wir fanden uns auf Schotter wieder.

Erste Lektion: In den Orten sind die Straßen alle i.O., davor und danach Schotter – so starb unsere Hoffnung auf schnelles Vorankommen.

Auf unserem Weg entdeckten wir in einer kleinen Ortschaft diese kleine Kirche (oder ehemalige Klosteranlage) aus Holz, an der emsig gebaut und restauriert wurde. Natürlich hielten wir an und wollten uns die Kirche anschauen, diese war jedoch leider verschlossen. Bevor wir wieder losfahren konnten, lief uns eine ältere Frau entgegen und forderte uns in bestem litauisch auf mitzukommen. Verständigung per Sprache gleich Null, aber mit Händen und Füßen… Sie schloss die Kirche auf und zeigte uns voller Stolz den Innenraum.

Zweite Lektion: Überall in der ländlichen Gegend, wo wir eine kleine Pause eingelegt haben, trafen wir auf freundliche mitteilungsbedürftige Menschen.

Und dann näherten wir uns unaufhaltsam der Grenze nach Lettland.

Nach dem Überqueren änderte sich der Weg nicht. Ca. 20 km vor dem Ziel konnte uns nichts mehr entmutigen, wir radelten fröhlich weiter und entdecken unmittelbar hinter der Grenze ein einsames Bauernhaus. Eine Seite war verfallen, aus dem wohl ehemaligen Stall wuchsen stattliche Birken. Das Haus war bewohnt, denn davor sahen wir einen bewirtschafteten kleinen Bauerngarten. Am Ziehbrunnen lehnte ein Joch und zwei Wassereimer standen davor. Für uns verwöhnte Mitteleuropäer unvorstellbar, dass es im Jahr 2015 immer noch Häuser gibt, in denen das Trinkwasser wie 1900 aus dem Brunnen geschöpft wird.

Und dann endlich kam es in Sicht, unser 1. Etappenziel. Pilsrundale. Hier hatten wir im Balta Maja (Weißes Haus) - einem alten Landhaus - eine Übernachtung gebucht. Wir waren froh, als wir nach 83 km da waren.

Das Gasthaus liegt in einem kleinen Dorfensemble in unmittelbarer Nähe zum Schloss Rundāle. Ein urgemütliches Zimmer erwartete uns drinnen und draußen genossen wir das erste lettische Bier und probierten uns an der leckeren lettischen Küche.

Wir beschlossen uns das Schloss und den Park anzuschauen, leider blieb für das Schloss selber nicht mehr genug Zeit, da es bereits nach 18:00 Uhr war. Vor dem Spaziergang war noch auspacken angesagt. Hier ereilte Matthias das erste Malheur. In seiner wasser- und staubdichten Tasche hatte sich eine 1,5 l Wasserflasche selbstständig gemacht. Durch die ständige Rüttelei auf den Schotterwegen hatte sich der Boden der Plastikflasche durchgerieben. Die Tasche war also mit 1,5 l Wassern geflutet, welches sofort dankbar durch Shirts und Hosen aufgenommen wurde – Wäsche aufhängen war angesagt.

Danach ging es los zum Schloss (übrigens Schloss mit Storch), das malerisch in Felder eingebettet liegt.

Pilsrundale: Schloss Rundāle (auch: Schloss Ruhenthal, lettisch Rundāles pils) ist ein seit 1920 im Staatsbesitz befindliches Barockschloss in der lettischen Region Semgallen, nahe der Stadt Bauska. Es wird oft als das Versailles des Baltikums bezeichnet. Weitere Informationen gibt es unter  https://de.wikipedia.org.

Zumindest haben wir uns noch die wunderschöne Parkanlage angeschaut. Hier gibt es einen Rosengarten mit Rosen aus aller Welt (auch aus der ehemaligen DDR), liebevoll künstlerisch gestaltete Gartenbereiche, ein grünes Theater und Wasserfontänen.

Am Abend saßen wir noch lange im Garten des „Balta Maja“ und ließen unseren ersten Radlertag ausklingen.