Der Blick nach dem zeitigen Aufstehen in den wolkenlosen sonnigen Himmel versprach für Radler nichts Gutes. Aber wir mussten ja weiter. Mittlerweile zeigten sich auch die ersten Intensivränder vom kurz Fahren an Armen und Beinen die, je nachdem welcher Teil des Körpers der Sonne zugewandter war bis ins tiefrote gingen. Aber wozu gibt es schattige Baumalleen und kühle Wäldchen – diesmal jedoch nicht wirklich entlang unseres Weges. Das erste Etappenziel hieß Swieta Lipka.
Nachdem uns auf dem Parkplatz vor der Basilika Unmengen an Reisebussen und mittendrin ein Storch begrüßten, wollten wir eigentlich zur Besichtigung schreiten. Das letzte was wir sahen, bevor die Kirche zum Gottesdienst geschlossen wurde, war eine Gruppe 8 – 10 Klässler, die laut lachend und schnatternd die Kirche betraten (diese Gruppe sollten wir an diesem Tag öfter treffen).
Da wir das Ende des Gottesdienstes nicht abwarten wollten, ging es weiter in Richtung Reszel (Rössel). Eine wunderschöne kleine Stadt mit einer Deutschordensburg (was sonst)! Hier trafen wir wieder auf die schnatternde Gemeinschaft, die sich die Burg anschaute. Für mich war das Highlight in Rössel die altehrwürdige Apotheke, in der auf meine Frage „Panthenol?“ eine polnische Apothekerin einen Blick auf mein rot verbranntes deutsches Bein warf und mir mitleidig lächelnd eine Sprayflasche reichte. Für den Rest des Urlaubes war diese eine Flasche unsere Rettung und wir zeitweise ganz in weiß eingehüllt unterwegs. Für uns hieß es einfach nur weiter bis Lidzbark Warminski, die 65 km schaffen wir irgendwie. Es war so unglaublich heiß!
Angekommen in Lidzbark ging es gleich in die Touri-Info, eine Besonderheit der polnischen Touristeninformation besteht darin, dass niemand deutsch, englisch oder eine andere Sprache spricht, es wird ausschließlich in polnischer Sprache beraten (meistens hat sich Matthias um die Unterkunft gekümmert, in den Touri-Infos waren ja meistens auch Frauen :-).
Nach gefühlten 5 min wurden wir in ein „Hotel“ gleich um die Ecke gebracht, wo uns schon eine natürlich ausschließlich polnisch sprechende Dame erwartete. Erstes Zimmer – njet, total verraucht. Aber für Polen kein Problem: nimmst du Duft aus Flasche, machst du zweimal Sprüh – riechen frische Luft! Njet, zweites Zimmerangebot gleicher Zustand + ungemachte Betten + ca. 20 leere Bierflaschen im Bad. Njet, wir gehen wieder. Na gut, ein letztes Zimmer unterm Dach für 4 Personen, gemeinsame Dusche mit dem Nachbarzimmer – egal bei 38° Außentemperatur, wir wollen jetzt da sein! Also wieder wie immer: Abpacken, ausbreiten, duschen und was essen gehen.
Auf der Treppe erwischte uns dann der Besitzer des Hotels, der uns in fließendem englisch – na bitte es geht doch – erklärte, dass das Zimmer nichts für uns sei, nur für Bauarbeiter und wir umziehen sollten – in die oben schon erwähnten verrauchten Käfterchen. Nö, für uns war das Zimmer gut genug, ab in die Stadt! Ein bissel Deutschordensburg anschauen, die war wirklich sehenswert und gut erhalten und etwas essen. (Hier haben wir dann das letzte Mal an diesem Tag die jugendliche Reisegruppe getroffen, die sich schweren Fußes, still und leise in die Burg zur Besichtigung schleppte. Wo war nur die unbeschwerte kindliche Fröhlichkeit vom Morgen geblieben? :-)
Zurückgekehrt zum Hotel, klopf klopf klopf, stand der Hotelier wieder vor unserer Tür. Wir wären ja bessere Leute und verdienten ein Zimmer mit Bad und er hätte noch ein Superangebot für uns. Und mein Mann, schon sehr betont und deutlich in einem tiefen Englisch : “No! Look there. All things are on the bed! We will stay here!“ (Die freie redaktionelle deutsche Übersetzung lautet: Mann, du nervst. Guck dich um, unsere Klamotten liegen rum. Ich geh hier nicht weg!) Wir sollten doch wenigstens mal schauen, es wäre ein super Zimmer and „We will help you!“ Na gut, ich hab dann gesagt, schauen können wir ja mal! Also raus aus dem Hotel, rum um die Ecke und siehe da, ein kleines Gärtchen mit Wintergarten, eigenem Bad, sehr hell, ruhig und vor allem schön kühl. Die Reaktion von Matthias „Na gut, dann ziehen wir eben um J!“ So konnten wir abends noch draußen sitzen. Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung!
Der Blick in unseren Routenplaner und das Wetterraten mit Fernsehen verhießen für den nächsten Tag nichts Gutes. Genauer gesagt 80 km bis zum nächsten Etappenziel und wieder heiß und wolkenlos. Unsere Alternative war nach 40 km in den Zug nach Frombork einsteigen. Mit diesem Plan im Kopf und einem Lächeln auf den Lippen kam der Sandmann!