Ermland - Masuren - Frische Nehrung

Tag 5

Montag 21. Mai

Bogaczewo - Kętrzyn - 74,5 km

Der Morgen begann für Matthias gegen 04:40 Uhr mit Vogelgezwitscher und nichts weiter.

 

 

 

 

 

4 Stunden später fuhr er mit Gewitter fort.

Aber wir hatten ja alles dabei – also, in Ruhe ein ganz hervorragendes Frühstück essen, noch ein bisschen rumtrödeln, kurz warten - wir waren ja entspannt unterwegs, der Regen ließ nach und wir zogen uns die Regensachen an. Wichtig ist, dass man alles dabei hat und für Notfälle gerüstet ist.

Start war gegen 09:30 Uhr, nach einem Kilometer zogen wir als erstes die Regenjacken aus, 5 km weiter die Hose, es war so zeitig schon unerträglich warm und schwül. Aber gut, dass wir alles dabei hatten – das war übrigens das einzige Mal, dass wir die Regensachen benötigten.

Nach jeder langen schönen Abfahrt kommt immer ein fürchterlich langer Anstieg, das kannten wir ja schon. Wir waren am Abfahren, da kam uns ein Reisebus mit großem Anhänger entgegen. Gefolgt von einer großen Radtruppe, die Mitte war schon leicht abgefallen und es rief: „Macht mal langsamer da vorne, wir kommen nicht nach“ – wohlgemerkt, für die Radtruppe war es der lange Anstieg. An dieser Stelle haben wir uns beglückwünscht, nicht eine gebuchte Radreise mitzumachen.

Auch Wilkasy und Lötzen haben sich verändert. Der Euro schlägt hier ebenso wie überall im Land in der infrastrukturellen Entwicklung zu, für uns ein Glück, denn so konnten wir den ausgebauten Radweg benutzen und die stark befahrene Straße meiden. Am Kanal war noch Totenstille, so ist das eben 10:30 Uhr mitten in Polen. Unser Plan, am Kanal lecker Pelmeni zu essen funktionierte mangels Beteiligung der gastronomischen Einrichtungen nicht.

 

Also wollten wir wenigstens nach der Drehbrücke und dem vor 6 Jahren noch unsanierten Zamek schauen. Die Drehbrücke war noch unverändert in Betrieb, das Zamek inzwischen als Hotel saniert.

Da wir weiter wollten, schaute Matthias auf den Routenplan – und jetzt aber nichts wie über die Drehbrücke auf die andere Seite. Es war nämlich kurz vor Schließung oder Drehung, dann ist die Brücke für ca. ½ bis 1 Stunde für den Fahrverkehr gesperrt.

Also nichts wie rüber, gerade noch geschafft. Auf der anderen Seite nochmal der Blick in den Routenplan, Plan war falschrum: „Mist wir müssen wieder rüber!“. Also ruff uffs Rad – drehen – rin in die Pedale – rüber – und dann nur noch Lachen. Direkt danach ging die Schranke runter und die Brücke wurde in aller Gemütlichkeit vom Drehbrückendreher geöffnet und der Kanal frei gegeben.

Die Schifflein fuhren durch den Kanal zum nächsten See und wir weiter in Richtung tiefes Masuren – nach Sztynort.

Und dann abtauchen in dörfliche Gemütlichkeit, weite Felder, Wiesen, kleine Häuschen am Rand, Störche auf Telegrafenmasten, kämpfende Störche am Wegesrand, rumpel pumpel Straßen und der nächste See – gleich geht es nach Sztynort und ein wenig Hunger war auch da. Also Platz nehmen im schon bekannten Restaurant, natürlich draußen.

 

 

Es gab nur eine Kleinigkeit – für mich Bigos, das polnische Nationalgericht, das ich auf Grund seiner darmintensiven Wirkung (fast ein Direktläufer) beinahe bitter gebüßt hätte. Aber so lecker (Rezepte sind bei mir auf Nachfrage erhältlich!). Matthias war in seiner Wahl da etwas zurück haltender, hat aber wenig! später mit mir gelitten. In Sztynort hat sich leider am Schloss außer Dachsicherungsarbeiten nichts getan. Nur die Störche sind beständig geblieben. Schade um das schöne alte Schlösschen und den Park, aber auch die Lehndorfs haben jetzt kein Interesse mehr an einer Rückübertragung. Der Yachthafen ist gewachsen, trotzdem war die dörfliche Idylle erhalten.

Nach dem Mittagspäuschen ging es also weiter Richtung Wolfsschanze. Das Grummeln in meinem Bauch ließ nichts Gutes erahnen, glücklicherweise fuhren wir fernab der Hauptstraßen über Sandwege und Nebenstraßen, so dass sich ein dichtes Buschwerk fand. Dank unseres Navis und der Reisebeschreibung sparten wir uns eine 3 km lange grob gepflasterte Straße. Bald darauf erkannten wir schon eine typisch deutsche Betonstraße und folgen dieser durch kleine Dörfchen in Richtung Wolfsschanze. Kurz davor hat man in den letzten Jahren einen Miniaturenpark, derer gibt es jetzt in jeder Region mehrere, angelegt. Das Thema hier war natürlich Masuren und die Deutschordensburgen. Der Park war geöffnet, allerdings war nichts los. Wir sind auch nur vorbei gefahren.

 

Wir waren uns einig, die Wolfsschanze tun wir uns nicht noch einmal an, aber ein Käffchen im kleinen Straßencafé schon. Also nichts wie hin, beim Überqueren der Eisenbahnschienen und Passieren der Wache ist allerdings sofort der Eintritt fällig. „Fiehrung durch das deutsches Bunkerlandschaft – mit oder ohne Fiehrer?, „Nö danke nur Kaffee.“ Das führte zu völlig verständnislosen Blicken und mehrmaligem Nachschauen am Kaffee, ob wir vielleicht nicht doch noch heimlich…? Im Kaffee war man auch voll auf gut zahlende Touristen eingestellt, löhnt man sonst so 1 € / Kaffeebecher, waren es hier schon mal 3 €. Aber alles ohne Fiehrer! – An dieser Stelle verzichte ich auf ausführliche Informationen zu diesem Ort, mag sich jeder sein Bild vom deutschen Größenwahn machen (einmal sollte man es gesehen haben!)

Weiter ging‘s in Richtung Rastenburg (Ketrzyn – gesprochen Ketschinn). Durch Schwarzstein (Cerniki), wo uns ein altes Mütterchen hinterher rief – Djen Dobre, djen dobre, djen dobre. Und dann Ankunft in einer neuen ungemütlichen aber trotzdem alten Deutschordensstadt. Hier endet auch das Kerngebiet der Masuren, wir waren uns nicht ganz sicher, ob es danach mit Übernachtungen so weiter geht wie bisher. Also doch lieber was suchen. Zwischendrin haben wir noch einer deutschen Radfahrerfrau bei der Suche nach ihrem abhanden gekommenen deutschen Radfahrermann geholfen. Nachdem sich beide glücklich wieder gefunden hatten und wir bei einem Schwätzchen erfuhren, dass das Pärchen 3 Wochen von der Oder bis nach Klaipeda mit dem Rad unterwegs sind, ging es für uns mit der Hotelsuche los. Die Touri-Info war nicht dort, wo wir sie laut Wegbeschreibung finden sollten und die Unterkünfte in der Stadt einfach viel zu laut. Also Richtung Stadtausgang, wo wir wie immer doch noch eine gemütliche Bleibe fanden (am nächsten Morgen waren wir froh, denn die nächste Pokoje war 15 km weiter auf einem Dorf).

 

Beim Abendessen entpuppte sich mein vermeintlich bestelltes Rippchen als teuflisch scharfe Paprikahaxe – aber wozu gibt es Wodka (Wutka). Wörterbuch wäre manchmal echt hilfreich gewesen, aber jetzt auch nicht mehr – wir beißen uns weiter mit Händen, Füßen, deutsch – englisch – verpolnischtem Russisch durch.

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