Pünktlich ging es los. Wir waren mit kleinem Gepäck unterwegs. Je ein Schlafsack war mit an Bord, da wir in einer Jurte übernachten wollten.
Insgesamt lagen ca. 270 km Autofahrt vor uns. Unterwegs hielten wir auf der Autobahn und Valerij kaufte uns noch eine riesige Wassermelone. Der Weg führt über die A3 (ehemals A350) über Qapschaghai nach Saryozek. Dann ging es weiter in Richtung Kotal.
Wir fuhren über eine endlose Autobahn. Nach ca. 80 km gelangten wir an den Kapshagai Stausee und Kasachstans Las Vegas – irgendwo im Nirgendwo. Entlang unseres Weges sahen wir alte moslemische Friedhöfe und eine endlose Steppenlandschaft. Endlich waren wir raus aus der Stadt und im Land unterwegs. Die Spannung stieg. Unterwegs tankten wir noch und machten Bekanntschaft mit den authentischen „stillen Örtchen“. Eine Bretterbude neben den Parkplätzen mit Fallloch. So ist das hier eben! Es weiter in Richtung Kotal. Und dann kam sie langsam nähre, die Bergkette, die den Nationalpark umschließt. Auf den Weg nach Kotal durchquert man den Altyn-Emel Gebirgszug zum Altyn-Emel Nationalpark. Das kleine Dorf Baschi ist zentraler Ausgangspunkt in den Nationalpark und Sitz der Nationalparkverwaltung.
Der Nationalpark Altyn-Emel: Im Herzen Zentralasiens, des Gebirgskamms des Dschungarer Alatau, liegt der größte Nationalpark Kasachstans, Altyn Emel. Die Fläche dieses ersten Nationalparks in Kasachstan beträgt 520.000 Hektar. Der Staatliche Nationalpark Altyn-Emel wurde im April 1996 durch den Beschluss der Regierung der Republik Kasachstan geschaffen, um dieses einzigartige Naturensemble am rechten Ufer des Flusses Ili und seine seltenen Tier- und Pflanzenarten zu erhalten.
Mehr… Weniger…Und dann durchfuhren wir die Bergkette und erlebten das erste Mal eine Vielfalt von Grün – und Brauntönen. Nachdem wir den Sattel durchquert hatten waren wir inmitten den Nationalparks. Bis zum Horizont erstreckte sich die weite Steppenlandschaft, umschlossen von einem Gebirgszug, der das Gebiet umschließt. Vielleicht kennt jemand die Bücher von Sergeij Wolkow – der Zauberer der Smaragden Stadt und die weiteren Folgen. Genauso sah es hier aus – die weltumspannenden Berge, irgendwo musste der gelbe Backsteinweg sein und die fliegenden Affen heranschwirren?
Die Sonne stand hoch und es war heiß. Zuerst hieß es für Valerij uns anzumelden und dann ging es ins Hotel. Hier begingen wir einen Fauxpas, denn in kasachischen Häusern werden zuerst die Schuhe ausgezogen. Nach einem kurzen Hinweis schlüpften wir in die bereitgestellten Sandalen und schauten uns im Hotel um. Saubere, kleine einfach eingerichtete Zimmer und Gemeinschaftsduschen/Toiletten erwarteten die Übernachtungsgäste. Aber wir wollten ja authentisch in einer Jurte schlafen. Die standen nebenan im Außengelände. Leider waren diese einfach nur mit Feldbetten ausgestattet. Das war nicht das Erwartete, und so entschieden wir uns für die Zimmer. Das Hotel war leer.
Wir brannten darauf endlich zur singenden Düne, unser heutiges Ziel, aufzubrechen. Valerij bestand allerdings erst noch auf ein gemeinsames Mittagessen - und das war gut und richtig so. Serviert wurde ein einfaches aber sehr schmackhaftes Essen. Eine Gemüsebrühe mit Nudeln und Fleisch. Beschbarmak, das traditionelle Fleischgericht der Kasachen aus gekochtem Fleisch, Teigscheiben und einer kräftigen Brühe. Beschbarmak bedeutet «fünf Finger», da die Kasachen früher die Speisen mit der Hand nahmen. Traditionell wird das Gericht aus Pferde- oder Hammelfleisch, Pferdewurst, neuerdings auch aus verschiedenen Fleischsorten, z.B. Rindfleisch oder Schweinefleisch zubereitet. Schon wieder sehr sehr lecker. Natürlich durfte auch ein Teller mit Süßigkeiten, russischen Bonbons, Keksen und kleinen Kuchen nicht fehlen. Es gab Tschai und Kaffee satt. Und dann ging es endlich los.
Unser erster Tierkontakt war ein Schlangenadlerpaar, das neben der staubigen Straße auf einer Felsmauer saß. Später sahen wir noch mehr von diesen Tieren, eins davon hatte gerade eine Schlange erbeutet und flog mit dem Tier davon. Die Steppe machte einen trostlosen Eindruck. Kein Baum, kein Strauch nur vertrocknetes Gras. Gut, dass wir mit einem Jeep unterwegs waren. Schließlich kam ein Wegweiser in unser Sichtfeld. An diesem Tag ging es zur „Singenden Düne“ – also nach rechts „Na Prawa“. An einer Oase stoppten wir an einem Schlagbaum und mussten uns nochmals registrieren. Jetzt fuhren wir in die Kernzone des Nationalparks.
Nach ca. einer halben Stunde Fahrt tauchte eine andere Oase auf, wieder mit einem Schlagbaum versehen.
Diese Oase bewohnte eine junge Familie mit einem kleinen Kind. Strom gab es nur über ein Notstromaggregat, alles war sehr einfach. Aber dort wo Wasser ist kann man leben. Und so sahen wir vor dem Wohnhaus einen Bauerngarten und daneben einen kleinen Teich mit schattenspendenden Bäumen. Mittendrin im Teich ein schwamm ein Stör. Die Hauptattraktion der Oase, die wir natürlich besichtigten. Neben dem Teich befand sich noch ein einfacher Unterstand mit kleiner Waschgelegenheit. Hier übernachten auch Touristen oder Einheimische auf dem Weg durch die Steppe. Dann ging es weiter. Verabschiedet wurden wir von einem „angehoppelten“ weißen Schimmel.
An dieser Stelle noch etwas zu unserer Verständigung. Unsere lang zurückliegenden Russischkenntnisse ließen uns nicht im Stich. Gut wenn man die Buchstaben kennt und lesen kann. Ich habe fast alles verstanden, was gesprochen wurde und konnte mich auch ganz gut verständigen. Wenn wir nochmal, alleine und länger in russisch sprechenden Ländern unterwegs sind, werde ich mein Russisch intensiv wieder auffrischen.
An einer Steinformation, einer Feuerstelle, hielten wir noch kurz an. Hier soll Dschingis Khan mit seinen Reiterhorden auf dem Weg nach Europa gerastet haben. Da wir dieses nicht wiederlegen konnten nehme ich die Information einfach in unseren Reisebericht auf. Einen Zwischenstopp gab es dann noch an einer kleinen unbewohnten Oase.
Und dann tauchte sie weit entfernt am Horizont auf – die Singende Düne. Endpunkt unserer Fahrt und auch der Schotterpiste war ein Unterstand. Hier machten wir uns wanderfertig. Valerij kontrollierte unsere Ausrüstung. Wanderschuhe, Kopfbedeckung und genügend Wasser. Dann durften wir los. Valerij erklärte uns, dass er nicht mit uns auf die Düne geht sondern alleine unterwegs sein wird, um Landschaftsfotos zu machen. Trotzdem hatte er uns immer im Blick. Wir hatten 4 Stunden Zeit! Je näher wir der Düne kamen umso heißer wurde es. Der Sand hatte ca. 40 °C. Die ersten Schritte hießen 3 Schritte hoch und Zwei zurück rutschen. Es war wie bei Kleinkindern im Sandkasten! Auf dem Rücken der Düne lief es sich dann deutlich einfacher.
Wir waren auf den Abstieg, nach unserer Meinung, bestens vorbereitet. Ausgerüstet mit Rutschkissen wollten wir nicht zu Fuß zurück sondern den Dünenrücken so wie viele Besucher vor uns herunter rutschen. Leider waren die Kissen nicht so geeignet wie gedacht. Gut, dass unsere Bemühungen außer uns (und wahrscheinlich Valerij, der sich wahrscheinlich köstlich amüsiert hat) niemand gesehen hat. Durch die schlängelnden, rutschenden, kugelnden Bewegungen geriet der Sand ins Fließen und Rollen und es erklang ein langer tiefer nachhallender Ton. Die Singende Düne machte Dank uns ihrem Namen an diesem Tag alle Ehre.
Wir erkundeten, am Fuß der Düne angekommen, die Gegend und wollten mal schnell noch zum Ille. Unten angekommen merkten wir schnell, wie weit es noch bis dorthin war. So versuchten wir Spuren zu lesen. Eidechsen kreuzten unseren Weg und die eine oder andere Sandschlängellinie entpuppte sich als Schlangenspur.
Nach gut dreieinhalb Stunden trafen wir uns am Unterstand mit Valerij, der uns bereits mit Messer und Melone erwartete. Eine Wohltat bei diesem Wetter. Rester waren nicht erlaubt! So langsam neigte sich der Tag und die Sonne warf Schatten auf „unsere“ Düne. Auf der Rückfahrt machte uns Valerij noch auf eine Herde wilder Kamele aufmerksam, die in der Ferne ihren Weg zog.
An jedem Schlagbaum (der auch in Kasachisch kurz und schmerzlos „Schlagbaum“ heißt), meldeten wir uns vorschriftsmäßig zurück und gelangten zu unserem Hotel. Wir hatten noch eine Stunde Zeit bis zum Abendessen. Nach dem obligatorischen Duschen machten sich Matthias und ich auf den Weg durchs Dorf. Der Esel ist hier offensichtlich der deutsche Hund.
Jedes Dorf hat eine Schule, einen Kindergarten, eine Moschee (ca. 20 km entfernt war das nächste Dorf, hier sah es genauso aus), kleine Geschäfte (Magasine) und natürlich einen „Ehrenhain“ zur Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg (2. Weltkrieg). Die Schule wird zweizügig betrieben, ab sieben Uhr sind die älteren Schüler in der Schule, danach die Grundschüler, die uns abends mit großen weißen Schleifen im Haar und Schuluniform aus der Schule entgegen kamen. Nach dem Abendessen stießen wir mit kasachischem Brandy auf den schönen Tag an und lagen gegen 21:00 Uhr müde und glücklich in den Betten.
Morgens um sieben gab es Frühstück, halb acht waren wir unterwegs. Nachdem wir im Hotel beschlossen hatten nach unserem Ausflug nochmal zurück zu kommen und Mittag zu essen, ließen wir unsere Sachen im Hotelzimmer. Diesmal ging es in die andere Richtung – zu den Aktau (dt. "Weiße Berge") und den Katutau (dt. "Rote Berge") Bergen.
Neben der Straße war Bewegung zu sehen. Zwei Saiga-Antilopen versuchten durch Flucht zu entkommen. Wir fuhren 70 km/h – und die Antilopen hielten mit!
Nach ca. einer dreiviertel Stunde war es dann soweit, in der Ferne kam das erste Tagesziel - die weißen Berge - in Sicht. Wieder eine neue Landschaft in dieser Steppenlandschaft. Und wieder endete die Schotterpiste an einem Unterstand mit einem Blick auf einen hohen roten Tafelberg. Im Hotel hatten wir die heutige Wanderroute besprochen. Valerij legte einfach die zwei klassischen Touren zu einer zusammen. Vor uns lag wieder – Nichts. Kein Vogel, kein Grillengezirp – atemberaubende Stille. Das Gelände war – noch aus der Ferne betrachtet – sehr felsig und am Fuß der Berge von Canyons durchzogen. Valerij erklärte uns, dass hier im Frühling reißende Wassermassen vom Ille Fluss kommend, durch das Gelände strömen und die Steppe zum Blühen bringen. Die Farben faszinierten uns. Alle nur denkbaren Rot- und Brauntöne waren vorhanden. Es war nicht ganz so heiß. Kurzzeitig sah es so aus, als ob uns ein Gewitter erwischen würde aber es blieb trocken. Beim Erklimmen der ersten Bergkette mussten wir aufpassen, damit wir nicht im sandigen Boden einbrachen und uns im Gangsystem der Wüstenratten wiederfanden. Denn diese gab es hier zu Hauf. Am Umkehrpunkt lag das Ille-Delta vor uns.
Weiter ging es in Richtung weiße Berge. Gipskristalle lagen an unserem Weg – wir kamen nur langsam voran, da wir uns an der Landschaft einfach nicht satt sehen konnten und ich ständig stehen blieb. Valerij musste eine kurze Ermahnung aussprechen, wir hatten schließlich ein straffes Programm! Wir liefen in Canyons, deren Wände sich rechts und links bis 4 m über uns erhoben.
Das Plateau des roten Tafelberges war unser Ziel. Wie wir da aber wieder runterkommen sollten? Keine Ahnung, wahrscheinlich auf einem Weg, den wir noch nicht sehen konnten! Schnell noch eine Eidechse fotografieren – weiter.
Dann ging es steil nach oben. Nicht reden, nicht gucken, nichts anfassen – ohne Halt laufen war die Ansage. Von oben (es ging dann leichter aber stetig bergan) boten sich uns fantastische Ausblicke in die vor und hinter uns liegende Berge. Tja, aber irgendwie mussten wir wieder runter, aber wie?
Tief unter uns war der Unterstand mit unserem Auto zu erkennen. Wir waren schon fast 2,5 Stunden unterwegs. Selbst hier fanden wir die Baue der Steppenbewohner und sahen diese dann auch. Irgendwann blieb Valerij stehen und zeigte nach unten. Kein Weg war zu sehen. Wir mussten noch ein wenig über Felsen klettern und standen dann vor einem langgestreckten Berghang aus rotem Sand. In einem Winkel von ca. 60° neigte sich der Hang.
Nächster Halt – Rote Berge. Nur 10 km von den weißen Bergen entfernt noch eine total andere Landschaft. Sehr heiß, trocken und voller Skorpione und Schlangen, wir sollten uns von den Felsen fernhalten. Diese bestehen aus erstarrtem Magma, das zu bizarren Formen erstarrt und durch Winderosion geformt wurde.
Unser letzter Halt war die verbotene Stadt inmitten des Nationalparks. Hier wurde zu Sowjet-Zeiten Uran gefördert. In einer der wenigen aber jahrhunderte alten Oasen wurde eine Stadt erbaut, die es heute nicht mehr gibt. Übrig geblieben ist ein Standort der Nationalparkverwaltung, an dem eine 800 Jahre alte Weide steht. Die Oase wird von einem Bächlein durchzogen, das gleichzeitig als Waschgelegenheit und Kühlschrank dient. Wir entdeckten Milchflaschen und eingepackte Butter mittendrin. Vor dem Wohnhaus türmte sich geschnittener Paprika und wahrscheinlich genau so viel geschnittener Knoblauch. Es war wieder warm, der Knoblauch dient wahrscheinlich als Abwehr gegen die zahlreichen Mücken, die aus dem nahe gelegen Teich auf uns herab schwirrten. Wir hatten keinen Knoblauch gegessen und waren daher als fette Beute auserkoren.
Zurück im Hotel waren wir froh noch einmal Duschen zu können, genossen ein letztes Mittagessen und zurück ging es 4 Stunden im Auto, auf einem anderen Weg nach Almaty.
An diesem Abend waren wir müde und kaputt, aber so froh, dass Anja diesen Ausflug für und mit uns organsiert hatte. Es hieß schnell ins Bett, unser Aufenthalt in Kasachstan neigte sich dem Ende und auf uns wartete die nächste Herausforderung – eine Wanderung im Hochgebirge gleich am folgenden Tag.